Nach 100 Tagen Laufzeit schlossen am Sonntag, 2. September 2012 um 22.57 Uhr die Türen der Sonderausstellung „Der frühe Dürer“ im Germanischen Nationalmuseum. Mehr als 280.000 Besucher (exakt 282.347 Besucher) sahen die spektakuläre Schau, die in ihren letzten Tagen Wartezeiten von bis zu 5 Stunden verlangte. Der Andrang war groß, doch jeder, der die einzigartigen Werke Dürers sehen wollte, bekam dazu Gelegenheit. Die Schließzeiten wurden flexibel gehandhabt, abends blieben die Ausstellungsräume so lange geöffnet, bis auch der letzte Wartende sich mindestens 1½ Stunden drinnen umgesehen hatte. Premiere: Eines nachts campierte sogar ein kleines Grüppchen mit Zelt vorm Haupteingang, um an nächsten Morgen auch wirklich als erstes in die Ausstellung zu gelangen.
Sehr gut angenommen wurden die zahlreichen Vermittlungsangebote. Der Katalog, von dem bereits 20.000 Exemplare verkauft wurden, geht in die 4. Auflage. Auffallend viel Lob fand auch der Audioguide in deutscher und englischer Sprache, auf den zahlreiche Besucher zurückgriffen. Große Nachfrage bestand ebenfalls nach den Angeboten des Kunst- und Kulturpädagogischen Zentrums der Museen in Nürnberg (KPZ), das für Gruppenführungen, Kinderprogramme sowie den Familien-Aktionsraum „Alles Dürer“ verantwortlich war: 1.704 Privatgruppen, 165 Schulklassen und 378 öffentliche Führungen verzeichnen die Buchungslisten – 2.247 Termine insgesamt.
Wir freuen uns, wenn Sie mal wiederkommen. Bis bald!
Die Restaurierung der „Kreuzabnahme“ von Hans Pleydenwurff schreitet weiter voran. Kürzlich wurde im Institut für Kunsttechnik und Konservierung mit dem OSIRIS-Bildaufnahmesystem eine Infrarotreflektographie des Gemäldes angefertigt.
Dank dieser Untersuchungsmethode können tiefer liegende Schichten im Aufbau des Gemäldes sichtbar gemacht werden, die dem Auge sonst verborgen bleiben. Über dem Bildträger, in unserem Fall eine aus mehreren Brettern zusammengesetzte Holztafel, liegt eine helle Grundierung aus Kreide und Leim. Auf dieser Schicht beginnt die gestalterische Arbeit des Künstlers mit der Unterzeichnung, über die er die Malerei in mehreren, unterschiedlich stark deckenden Lagen ausführt.Die Unterzeichnung wird dabei von den Farblagen meist vollständig abgedeckt.
Mit Hilfe der Infrarotstrahlung kann diese erste Bildanlage genauer studiert werden. Vor allem kohlenstoffhaltige Zeichenmedien, wie Tusche oder Kohlestift, lassen sich gut darstellen, denn die Strahlung wird vom Kohlenstoff weitestgehend absorbiert, von der weißen Grundierung hingegen reflektiert. Damit werden die bildnerischen Ideen Pleydenwurffs als dunkle Linien auf hellem Grund erkennbar. Die sonst dominierende farbige Malerei bleibt nur noch schemenhaft erkennbar.
Die Detailaufnahme der beiden Frauen (siehe auch Pleydenwurff- Blog II) zeigt deutliche Veränderungen der Bildkomposition. So wurden etwa die betenden Hände Mariens in der Unterzeichnung leicht schräg angelegt, in der Malerei jedoch aufrechter ausgeführt. Weiterhin sah der ursprüngliche Entwurf für die Marienfigur eine sogenannte Rise vor, einen im 15. Jahrhundert für Frauen üblichen Teil der Kopfbedeckung, der Hals und Kinn vollständig verhüllte. Auch eine Leitersprosse ist weiter nach oben gerückt als zunächst vorgesehen. Gut zu erkennen sind außerdem die in lockeren Linien angelegten Gewandfalten der Frauengestalt rechts. Hier weicht die malerische Ausführung kaum ab.
Die häufigen Abweichungen von Unterzeichnung und endgültiger Malerei auf dem gesamten Tafelbild legen die Vermutung nahe, dass Pleydenwurff große Bereiche der Bildes selbst malte, anstatt den Werkstattmitarbeitern die Ausführung des prominenten Auftrags für die Breslauer Elisabethkirche zu überlassen.
Dürer hat auffällig viele seiner Zeichnungen mit Ortsbezeichnungen, Datierungen und Signaturen versehen. Viele dieser Aufschriften werden von der Forschung widersprüchlich beurteilt und werfen noch immer viele Fragen auf:
Sind die Aufschriften zusammen mit der Zeichnung in einem Zug entstanden?
Sind sie von Dürer im Kontext eines Ordnungs- und Dokumentationsprozesses seiner eigenen Werke zu einem späteren Zeitpunkt nachgetragen worden?
Oder sind die Aufschriften erst sehr viel später im Zuge der Dürer-Rezeption von einer anderen Person hinzugefügt worden?
Die Bewertung einer Zeichnung als Dürer-Original oder eben nicht, hängt sehr stark von der individuellen Einschätzung des sich mit der Werk beschäftigenden Kunsthistorikers ab. Objektivierbarere Aussagen liefert eine neu entwickelte naturwissenschaftliche Methode, die eine zerstörungsfreie Untersuchung der chemischen Zusammensetzung historischer Tinten ermöglicht. Die Ergebnisse erlauben, dass viele bisher umstrittene oder mit ungelösten Fragen behaftete frühe Dürer-Zeichnungen besser eingeschätzt werden.
Diese neue Untersuchungsmethode öffnet auch den Blick auf Werkprozess und Funktion: So hat die Forschung bislang darüber gestritten, zu welchem Zeitpunkt von Dürers Italienreise das berühmte „Innsbruck-Aquarell“ entstanden ist. Die Wissenschaftler des Dürer-Projektes am Germanischen Nationalmuseum haben nun entdeckt, dass das Blatt schrittweise in drei Stufen zustande gekommen ist. Ob sich die Beschriftungstinte des Titels „Isprug“ als identisch mit anderen Beschriftungstinten der „Landschaftsaquarelle“ erweist, ist eine noch offene Untersuchungsfrage und klärt sich bei Messkampagnen in der Wiener Albertina. Die Vorstellung vom jungen Dürer, der als erster Künstler überhaupt in der freien Natur arbeitet und mit seinem Aquarellkasten am Ufer des Inn eine wirklichkeitsgetreue Ansicht der Kaiserstadt Innsbruck malt, bedarf einer deutlichen Korrektur. Zu sehr hat die Verquickung von Biographie und Werk den Blick auf das einzelne Werk verstellt, und zu sehr basieren die etablierten Erklärungsmodelle auf späteren Vorstellungen wie etwa der Italiensehnsucht und dem Künstlerkult des 18. und 19. Jahrhunderts.
Das Germanische Nationalmuseum untersucht gemeinsam mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung die von Dürer in seinen Zeichnungen und Aquarellen verwendeten Tinten kunsttechnologisch. Diese Untersuchungen basieren auf dem Einsatz einer mobilen Micro-Röntgenfluoreszenz-Analytik (Mikro-RFA).
In den letzten Blog-Beiträgen zur Restaurierung der „Kreuzabnahme“ von Hans Pleydenwurff wurde bereits die Abnahme des dunklen Überzugs geschildert. Solche gealterten Überzüge bzw. Gemäldefirnisse haben die Eigenschaft, in ultraviolettem Licht auffällig zu leuchten.
Es handelt sich dabei um die sogenannte Fluoreszenz. Das Phänomen entsteht bei der Bestrahlung mit energiereichem ultravioletten Licht. Dieses wird von den unterschiedlichen Materialien der Oberfläche teilweise absorbiert. Die zurückgeworfene Reststrahlung ist energieärmer und verschiebt sich damit in ein für unser menschliches Auge sichtbares Spektrum. Die verschiedenen Materialien absorbieren die Strahlung unterschiedlich stark und erzeugen so eine charakteristische Fluoreszenzfarbe. Die gefirnissten Bereiche des Tafelbildes leuchten deshalb weiß-bläulich auf.
Die UV-Fluoreszenzphotographie dokumentiert damit nicht nur den Fortgang der Firnisabnahme, sondern auch frühere Bearbeitungen des Tafelbildes, die sich nun deutlicher vom originalen Bestand abheben.
Im Inkarnat der Christusfigur werden beispielsweise Übermalungen anhand ihrer gelb-grünen Fluoreszenz sichtbar.
Auch der ungewöhnlich grobe Firnisauftrag einer früheren Restaurierung ist gut zu sehen. Der Goldgrund der oberen Bildhälfte wird üblicherweise nicht gefirnisst. Große Mengen an Firnis sind in den Randbereichen der Malerei jedoch auch auf die Vergoldung aufgetragen worden. Damit erklären sich die hellen Ränder um die Kanten der Figurengruppe von Christus und Joseph von Arimathäa.
Besonders schön ist aber auch ein originaler Überzug aus sonst eher unauffälligem, braunem Lack auf dem Kreuz Christi zu erkennen. Mit der dunkelbraunen, unter UV-Strahlung grünlich leuchtenden Farbe hat der Künstler eine dekorative Holzmaserung auf die sonst einfarbigen Holzbalken gemalt.
Der streifig aufgetragene, dunkle, braun-grüne Überzug aus Naturharzen war wohl zur letzten Überarbeitung eingefärbt worden, um Unzulänglichkeiten im Zustand der Malerei zu kaschieren. Über die Jahrzehnte ist er vergilbt bzw. zusätzlich nachgedunkelt und verbirgt so die feinen Schattierungen und Farbnuancen der Pleydenwurff’schen Malerei. Nach der Abnahme des gealterten Firnis wird die detailreiche Malerei der „Kreuzabnahme“ wieder deutlich.
Der Firnis ist leicht löslich und mit Hilfe von Gel-Kompressen gut von der Oberfläche abzunehmen. Lösungsmittel werden hierfür zu einem Gel angedickt und über eine Zwischenlage aus Japanpapier aufgetragen. Somit kommen sie nicht direkt mit der Malschicht in Berührung. Damit lässt sich der Harzüberzug relativ schonend von der originalen Gemäldeoberfläche abnehmen.
Die Detailaufnahme zeigt eine digitale Montage der Firnisabnahme: der Vorzustand auf der linken Seite und die gereinigte Oberfläche rechts daneben.
Zur kunsthistorischen Bedeutung dieser Tafel
In der Vermittlung der neuen niederländischen Errungenschaften, die sich nicht in der neuen Rolle der Naturdarstellung erschöpfen, sondern vor allem das neue bühnenartige Agieren der Einzelfigur in großen und anspruchsvollen Kompositionen betreffen, kommt Hans Pleydenwurff eine Schlüsselrolle zu. Bildschöpfungen wie die hier gezeigte Breslauer Kreuzabnahme basieren in der Konzeption der Figuren und der Konzentration der Dramaturgie auf die Handlung weniger Akteure auf Gemälden des Brüsseler Stadtmalers Rogier van der Weyden, sind aber nie sklavische Kopie. In der Kreuzabnahme bietet Pleydenwurff mit den Wassermühlen und Felsen zwei wesentliche Elemente fränkischer Landschaftsdarstellung auf, die fortan immer wieder neu variiert wurden. Diese Landschaftselemente sind ohne Naturbeobachtung nicht vorstellbar und setzen damit wichtige Wegmarken auf dem Weg zu einer neuen Kunst, die Dürer in der Pleydenwurff-Nachfolge anstrebt.
Vor seiner Präsentation in der Ausstellung „Der Frühe Dürer“ wird das großformatige Tafelbild in den Werkstätten des Instituts für Kunsttechnik und Konservierung des GNM restauriert
Im Atelier für Gemälde und Skulptur wird derzeit das Tafelbild „Kreuzabnahme“, einst ein Flügel des Hochaltars der Breslauer Elisabethkirche, restauriert. Das 1462 von Hans Pleydenwurff geschaffene Gemälde war vor allem durch einen ungleichmäßig aufgetragenen, sehr dunklen Firnis in einem optisch extrem unbefriedigenden Zustand.
Details der differenziert ausgeführten Malerei waren unter dem dunklen Überzug nicht mehr auszumachen oder unter großflächigen Übermalungen verborgen.
Die mit einer Höhe von über 2,86 m und einer Breite von etwa 1,42 m sehr große Tafel wird deshalb nun von dem entstellenden Überzug befreit.
Unterstützung erhielten die angestellten Restauratoren dabei für einige Wochen vom Erfurter Master-Studenten Benjamin Rudolph.
Der Fortgang der Arbeiten wird dabei, wie in der Restaurierung üblich, fotografisch dokumentiert. Die Aufnahmen nach der Firnisabnahme machen dabei erstmals seit vielen Jahren wieder die Malerei Pleydenwurffs in ihrer detaillierten Ausführung erlebbar.
Bis zur Eröffnung der Dürer-Ausstellung im Mai 2012 werden wir an dieser Stelle wieder über den Fortgang der Arbeiten berichten.
Das Phänomen „Früher Dürer“ bestimmt die Forschungsaktivitäten des GNM bereits längerfristig. Ausgehend von der Neu- bewertung vieler früher Dürerwerke in den letzten Jahren sollen die vielschichtigen Fragen und Probleme bis zur angeblichen Gründung der Werkstatt um 1502/03 untersucht werden.
Hatte sich die jüngere Forschung im wesentlichen auf einzelne Gattungen wie Malerei oder Grafik konzentriert, so verspricht die Erforschung gattungsübergreifender Zusammenhänge zwischen Malerei, Zeichnung, Grafik und Glasmalerei neue Erkenntnisse.
Zur Verwirklichung dieses Forschungsvorhabens hat das Germanische Nationalmuseum 2008 Forschungsfördermittel der Initiative „Pakt für Forschung und Innovation“ eingeworben.
Die größte Dürer-Ausstellung seit 40 Jahren wird am 23. Mai 2012 eröffnet. Sie wird völlig neue Blicke auf Person und Wirken Albrecht Dürers ermöglichen. Dabei erwarten Sie über 150 Exponate auf 1.300 qm Fläche, die Dürers Anfänge und seinen Weg zur Meisterschaft aufzeigen. Was bis dahin hinter den Kulissen geschieht und wie die Ergebnisse des interdisziplinären Forschungsprojektes in eine Ausstellung für ein großes Publikum münden, erfahren Sie auf dieser Website. Mit der Ankündigungsseite im Internet möchten wir den Weg zur Ausstellung für Sie transparent und informativ aufzeigen. Wir freuen uns auf die kommenden Monate der Vorbereitung und auf Ihren Besuch der Ausstellung!